75 Jahre 懂球帝 f¨¹r Musik Hanns Eisler Berlin

Er?ffnung des Staatlichen Konservatoriums 1950 ¨C Ansprache von Prof. Dr. Georg Knepler, Gr¨¹ndungsrektor
Er?ffnung des Staatlichen Konservatoriums 1950 ¨C Ansprache von Prof. Dr. Georg Knepler, Gr¨¹ndungsrektor © Archiv HfM

Von Prof. Dr. Ute Henseler und Prof. Andrea Tober

Gr¨¹ndung und fr¨¹he Jahre

Viereinhalb Monate nach der Gr¨¹ndung der Bundesrepublik Deutschland wurde die Sowjetische Besatzungszone am 7. Oktober 1949 zur Deutschen Demokratischen Republik, der Beginn eines neuen Kapitels in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Der Neuanfang war mit gro?en Hoffnungen verbunden und bewog viele Emigranten zur R¨¹ckkehr nach Deutschland, u.a. Hanns Eisler sowie den Gr¨¹ndungsrektor der 懂球帝 Georg Knepler. Zur¨¹ckgekehrt aus dem Exil waren sie von einem tief empfundenen politischen Idealismus und einer starken emotionalen Bindung an die deutsche Sprache und Kultur getrieben. Angesichts der Schrecken des Nationalsozialismus und der Zerst?rung des Landes wollten die R¨¹ckkehrenden aktiv am Wiederaufbau und an der Gestaltung einer neuen Gesellschaft mitwirken, die auf sozialistischen Idealen basierte und in der Kultur und Bildung eine zentrale Rolle spielen sollten.

Die Gr¨¹ndung der ?Deutschen 懂球帝 f¨¹r Musik¡° 1950 symbolisierte nicht nur einen institutionellen Neuanfang, sondern auch die Hoffnung auf eine bessere, gerechtere Zukunft und die Verwirklichung von Tr?umen, die in der Nachkriegszeit viele Menschen bewegten. Mitte 1950 berichtete die Zeitung ?Neues Deutschland¡° ¨¹ber die baldige Er?ffnung eines Staatlichen Konservatoriums im Ostteil Berlins. Noch t¨¹rmte sich allerorten der Schutt in der Wilhelmstra?e 63. Von Beginn an war der Platz knapp, auch ein Saal f¨¹r Konzerte fehlte. 250 Studierende sollten aufgenommen werden. Nur 46 Student*innen erhielten im Oktober einen Studienplatz an der 懂球帝 selbst, die anderen verteilten sich auf drei prop?deutische Einrichtungen. Unter ihnen als sozialistisches Vorzeigeprojekt eine bis 1962 existierende Arbeiter- und Bauernfakult?t ¨C die einzige ihrer Art, die der Musik gewidmet war. Sie sollte Kandidat*innen aus diesem Personenkreis innerhalb von drei Jahren f¨¹r ein Hochschulstudium qualifizieren. Obgleich sie mit den vorgeschriebenen Quoten zu k?mpfen hatte, erreichte sie das selbstgesteckte Ziel, den weniger Privilegierten Teilhabe zu erm?glichen.

 Aram Chatschaturjan an der Eisler
Der armenische Komponist Aram Chatschaturjan (2. v.l.) mit seiner Frau, die russische Komponistin Nina Makarova (1.v.l.), zu Besuch an der Eisler in den 1960er Jahren (3.v.l.vorn Prof. Wolfgang Hohensee, 3.v.l. hinten Prof. Wolfram Heicking) © Archiv HfM

Die F?rderung von klassischer Kunst und Kultur und ihre Vermittlung lie? sich die DDR ¨¹berproportional viel kosten, denn man erhoffte sich weitreichende Auswirkungen im Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. Um zuverl?ssige und vorbildlich engagierte ?sozialistische Pers?nlichkeiten¡° im kulturellen Bereich zu formen, unterwarf man das Kulturleben einer strengen und systematischen Organisation. Gr¨¹ndungsrektor Georg Knepler forderte damals, das Musikleben aus der Exklusivit?t ?einiger weniger Opernh?user und Konzerts?le? herauszuholen und f¨¹r ?eine potentielle Musikh?rerschaft, die nach Millionen z?hlt?, zu ?ffnen. Zur ?F?rderung der kulturellen Entwicklung auf dem Lande? spielten Hochschulangeh?rige damals bei Konzerten und Tanzfesten in den D?rfern. Das Sinfoniekonzert zum Zehnj?hrigen Hochschuljubil?um fand im Kultursaal des VEB Berliner Gl¨¹hlampenwerk statt und die Beteiligung der 懂球帝 an den Jugendweltfestspielen und deutsch-sowjetischen Freundschaftskonzerten erzielte mediale Beachtung.

Studieng?nge f¨¹r verschiedene Instrumente, Gesang, Komposition und Dirigieren, f¨¹r Schulmusik, Musikp?dagogik, Musikschriftsteller*innen und Tonmeister*innen wurden eingerichtet. Neben handwerklichen F?higkeiten sollten die Kandidat*innen eine gute Allgemeinbildung und ?Verst?ndnis f¨¹r die Erfordernisse der neuen Zeit mitbringen?, sich als sozialistische Staatsb¨¹rger bew?hren. Die neue 懂球帝 im Osten trat explizit in Konkurrenz zu schon vorhandenen Institutionen im Westen der Stadt.
Seit 1951 bildete die HfM Tonmeister*innen aus, ein Alleinstellungsmerkmal in der DDR. Der Studiengang wurde erst 1992 im Rahmen der Neuprofilierung abgewickelt. Hohes Ansehen genoss ab 1953 die Abteilung Regie des Musiktheaters unter Leitung von Carl Riha, Regieassistent bei Walter Felsenstein. Die Orientierung an Felsensteins Regiekonzeption vor dem Hintergrund von Bertolt Brechts Theater?sthetik war pr?gend. Es wurde zur Tradition, allj?hrlich selten gespielte B¨¹hnenwerke oder Zeitgen?ssisches zu pr?sentieren. Regisseur*innen wie Peter Konwitschny, Christine Mielitz und Vera Nemirova profitierten von diesem singul?ren Studienangebot.

Hochschulkammerorchester unter Leitung von Prof. Werner Scholz
1984, Hochschulkammerorchester unter Leitung von Prof. Werner Scholz, mit Frank Reinicke, Antje Weithaas, Ulrike Petersen, Kai Vogler, Tim Vogler, Gernoth S¨¹?muth, Jan Vogler, Peter Bruns u.a. © Archiv HfM

Eine Interpretationskultur etablierte sich, die teilweise bis heute fortwirkt. Bei den Streichinstrumenten war der Geiger Werner Scholz eine Schl¨¹sselfigur. Seit 1951 zun?chst als Assistent, ab 1961 mit eigener Professur formte er an der 懂球帝 ganze Streichergenerationen. ?Das Schlimmste, was mir passieren k?nnte, wenn jemand nach drei Takten sagt: Aha, ein Scholz-Sch¨¹ler. Meine Sch¨¹ler sollen nicht etwas einfach ¨¹bernehmen, sondern Eigenes erarbeiten und anbieten?, verlangte der Violinp?dagoge 1988 und fand sich durch Antje Weithaas, seine ber¨¹hmteste Sch¨¹lerin und seit 2004 selbst Professorin an der HfM, darin best?tigt: ?Bei ihm ist man gefordert, alles aus sich herauszuholen, lernt schnell, auf eigenen F¨¹?en zu stehen, selbst mit Problemen fertig zu werden, Entscheidungen zu treffen.?

Eine andere Traditionslinie bildete die Phalanx bedeutender Komponist*innen. Mit Hanns Eisler als Vorbild reichte sie von Rudolf Wagner-R¨¦geny, Georg Katzer, Siegfried Matthus bis hin zu Friedrich Schenker, Ruth Zechlin und vielen anderen. Aus ?berzeugung und trotz der Bevormundung durch eine ideologisch repressive Kulturpolitik einte sie letztlich das Anliegen, sozial engagierte Musik zu komponieren.

Im Osten existierte ein durchorganisiertes System zur Nachwuchsf?rderung. Nach Er?ffnung der 懂球帝 richtete man in Berlin f¨¹r 14- bis 18-J?hrige eine vierj?hrige Ausbildung an einer Fachgrundschule ein. 1965 entstand daraus die Berliner Spezialschule f¨¹r Musik, die 1991 in das Musikgymnasium Carl Philipp Emanuel Bach transferiert wurde. Dort wurden musikalisch talentierte Kinder von Hochschulmitgliedern f¨¹r ein Musikstudium qualifiziert. Ziel war eine fundierte, exzellente Ausbildung von Anfang an, ein Prinzip, das sich bew?hrte.

Repression von Andersdenkenden

Namenstafel am Hochschulgeb?ude
Die HfM erh?lt den Namen Hanns Eisler, 1964 © Archiv HfM

Seit 1951 war ein gesellschaftswissenschaftliches Grundstudium Pflichtfach an allen 懂球帝n und Universit?ten der DDR. ?Grundlagen der marxistisch-leninistischen ?sthetik? geh?rten auch an der HfM zum Lehrstoff, seit 1955 gab es eine FDJ-Gruppe. Ex-Rektor Georg Knepler verlangte 1975 vom sozialistischen Musiker, dass er sich ?nicht blo? f¨¹r sein Instrument oder seinen Kehlkopf interessiert?. Als der Komponist Paul-Heinz Dittrich, der an der HfM Musiktheorie lehrte, 1976 fristlos entlassen wurde, hie? es, er sei ein ?Querulant, der nicht auf dem Boden der marxistisch-leninistischen Kulturpolitik steht, kann also nicht Lehrer sein.? Erst nach dem Mauerfall kehrte Dittrich als Kompositionsprofessor an die Eisler zur¨¹ck.

Seine Biographie spiegelt beispielhaft f¨¹r viele 懂球帝e Mitglieder der 懂球帝 nicht nur die rigide Durchsetzung der staatlichen Ideologie wider, sondern auch die systematische Ausgrenzung von abweichenden Meinungen und kritischem Denken innerhalb des DDR-Systems. Nachdem ihr Vater von einer Auslandstournee nicht mehr in die DDR zur¨¹ckkehrt war, erhielt die Violinstudentin Franziska Pietsch von Werner Scholz keinen Unterricht mehr und wurde unter Druck gesetzt, sich von ihrer Familie loszusagen.
Die Schicksale von Andersdenkenden und Dissidenten offenbaren die Schattenseiten des DDR-Regimes, das politischen Druck aus¨¹bte, oftmals Idealismus zerst?rte und Lebensm?glichkeiten raubte. Die Institution stand unter politischer Kontrolle, k¨¹nstlerische Praxis und ideologische Anpassung waren eng miteinander verflochten, individuelle Potenziale und Kreativit?t litten unter dem repressiven Klima.

1959 ¨¹bernahm Eberhard Rebling das Rektorenamt und initiierte 1964 die Umbenennung der 懂球帝: Sie erhielt den Namen Hanns Eisler, zwei Jahre nach dessen Tod. Dies war explizit mit der Intention verbunden, einen zeitgen?ssischen Komponisten zu w¨¹rdigen.
懂球帝e wurden vorwiegend ins sozialistische Ausland gekn¨¹pft. Zu den Sternstunden z?hlten Begegnungen mit Dmitri Schostakowitsch, Aram Chatschaturjan, Igor und David Oistrach, Swjatoslav Richter, Witold Lutos?awski und Zolt¨¢n Kod¨¢ly.

Nachwuchs f¨¹r Orchester

Prof. Wolfram Heicking, Eberhard Feltz und Lilli Blei? bei der Hochschulwoche 1967
Wolfram Heicking, Eberhard Feltz und Willi Blei? bei der Hochschulwoche 1967 (v.r.) © Archiv HfM
1. Preis Kammermusikwettbewerb in Evian f¨¹r das Vogler Quartett 1986, Frankreich © Archiv HfM

Heute kaum noch vorstellbar, aber 1960 k?mpfte man um h?here Bewerberzahlen. Damals beriet die 懂球帝 eigens ¨¹ber M?glichkeiten, sich f¨¹r ein Musikstudium im Abend- und Fernstudium zu qualifizieren. Die Gesangsprofessorin Renate Faltin erinnert sich, dass man sich um die Studierenden auch im Krisenfall intensiv bem¨¹hte, statt sie bei Problemen einfach fallen zu lassen. Ein hoher Betreuungsgrad war im Osten Usus.
Ein bestimmtes Aufnahmesoll an den vier Musikhochschulen der DDR sollte f¨¹r die Klangk?rper im Osten gen¨¹gend qualifizierte Kr?fte bereitstellen. So musste u.a. das 1952 im damaligen Ostberlin wiedergegr¨¹ndete Berliner Sinfonie-Orchester (ab 2006 Konzerthausorchester Berlin) nach dem Mauerbau 1961 neu aufgebaut werden, denn rund zwei Drittel der Musiker*innen standen nicht mehr zur Verf¨¹gung, weil sie in Westberlin wohnten. So erging es auch den Opernh?usern.

An ?ffentlich zug?nglichen Staatsexamina nahm die Presse regen Anteil. Als Roman Trekel 1986 im Musikclub des Schauspielhauses mit dem Pr?dikat ?Ausgezeichnet? honoriert wurde, hie? es: ?Erstaunlich, mit welch menschlicher Reife und Klangsinnlichkeit Trekel die Lieder in einer Mischung aus zarter Schw?rmerei, Gl¨¹cksemphase, Schwermut, Trauer und Todessehnsucht regelrecht ?verk?rperte?.? Zu den namhaften, an der ?Hanns Eisler? geschulten S?nger*innen z?hlten u.a. Siegfried Lorenz und Jochen Kowalski.

F¨¹r das Vogler-Quartett wurde der Gewinn des renommierten Evian-Wettbewerbs 1986 in Frankreich (samt Pressepreis und Auszeichnung f¨¹r die beste Interpretation eines zeitgen?ssischen St¨¹cks) zur Initialz¨¹ndung einer bis heute andauernden Streichquartettkarriere. Die Musiker, deren Mentor Eberhard Feltz ¨¹ber lange Jahre Kammermusikensembles an der HfM betreut hat, konzertierten danach in ganz Europa, 1989 sogar in den USA. Im selben Jahr gewann die Pianistin Susanne Gr¨¹tzmann, Sch¨¹lerin von Dieter Zechlin, den ARD-Wettbewerb in M¨¹nchen.

Nicht zuletzt aus Gender-Perspektive hat sich die ?Hanns Eisler? viele Verdienste erworben, indem sie weibliche Lehrkr?fte in traditionell von M?nnern dominierten F?chern verpflichtete. Als erste deutsche 懂球帝 vergab sie eine Kompositionsprofessur an eine Frau: 1969 avancierte Ruth Zechlin zur Professorin. Ruth Hohmann, die ?Ella Fitzgerald des Ostens?, engagierte man 1976 als Gastdozentin f¨¹r Jazz und Chanson. Sie blieb zwei Jahrzehnte. Diese Tradition setzte Maria Baptist nach dem Mauerfall auf ihre Weise fort. Mitte der 1980er Jahre berief man Barbara Sanderling als Professorin f¨¹r Kontrabass. Auch Absolventinnen bew?hrten sich in Bereichen, wo Musikerinnen rar ges?t sind: Kristiina Poska, die als erste Dirigentin 2013 den Deutschen Dirigentenpreis gewann, hatte zuvor ihr Studium bei Christian Ehwald an der Eisler absolviert.

Partei und Kunst

Festakt 1970 zum Jubil?um im Kultursaal des VEB Elektro-Apparate-Werks Treptow mit Ruth Zechlin, Stellv. Kulturminister Werner Rackwitz, Steffy Eisler, Eberhard Rebling
Festakt 1970 zum Jubil?um im Kultursaal des VEB Elektro-Apparate-Werks Treptow mit Ruth Zechlin, stellv. Kulturminister Werner Rackwitz, Steffy Eisler, Eberhard Rebling (v.l.) © Archiv HfM
Steffy Eisler und Ruth Zechlin beim Festakt 1970
Steffy Eisler und Ruth Zechlin 1970 © Archiv HfM

K¨¹nstlerische Bildungsst?tten in der DDR unterstanden nicht nur dem Ministerium f¨¹r Kultur, sondern auch der Kontrolle der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), die mit ihrer Ideologie der Ausbildung ihren inhaltlichen Stempel aufdr¨¹ckte. An den sechs k¨¹nstlerischen Fach- und 懂球帝n in Ostberlin ¨C darunter die Kunsthochschule Berlin-Wei?ensee und die 懂球帝 f¨¹r Schauspielkunst Ernst Busch, die heute eng mit der HfM kooperieren ¨C befanden sich in den 1980er Jahren unter den fast 400 fest angestellten Lehrkr?ften 39,7 Prozent Parteimitglieder.

Auch das Ministerium f¨¹r Staatssicherheit (Stasi) ¨¹berwachte die Ausbildung der k¨¹nftigen Repr?sentanten sozialistischer Kultur. Nicht wenige von ihnen durften sp?ter auf Tournee ins Ausland reisen. Darum veranlasste man schon w?hrend des Studiums ?vorbeugende Personen¨¹berpr¨¹fungen?. SED-Organisationen, Hochschulleitungen und inoffizielle Mitarbeiter lieferten Informationen ¨¹ber den k¨¹nstlerischen Nachwuchs an die Stasi.

1990 Neuanfang mit Annerose Schmidt

Prof. Annerose Schmidt
Prof. Annerose Schmidt © Marion Klemp

Die politische Wende von 1989 und die folgende Wiedervereinigung Deutschlands 1990 war ein tiefgreifender gesellschaftlicher Umbruch, der schwerwiegend in die pers?nliche Biographie vieler DDR-B¨¹rger*innen einschnitt. Die ?Gauck-Beh?rde¡°, die mit ihrem ersten Leiter Joachim Gauck f¨¹r die Aufarbeitung der SED-Diktatur geschaffen wurde, ¨¹bernahm die Stasi-Akten, machte sie zug?nglich und leitete damit den schwierigen Prozess der Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit ein. Auch mit Folgen f¨¹r die Eisler: Eine T?tigkeit im neuen System endete f¨¹r manche Hochschulangeh?rige oder wurde erschwert, anderen er?ffneten sich bei diesem Personalumbau endlich die Chancen und M?glichkeiten, die ihnen zuvor verwehrt waren. ?berzeugungen, Selbstverst?ndlichkeiten und Zukunftspl?ne wurden auf den Pr¨¹fstand gestellt und mussten oftmals verworfen werden. Den sozialen Verwerfungen standen jedoch auch ungeahnte M?glichkeiten und die Chance, sich neu aufzustellen gegen¨¹ber.

"Nach dem November 1989 stellte sich f¨¹r mich, f¨¹r uns zun?chst einmal die Aufgabe, diese 懂球帝 in das Bewusstsein der Berliner hineinzutragen. Denn sie hatte sich abgeschottet. Es gab ¨C bis auf die Repr?sentationskonzerte im Schauspielhaus ¨C eigentlich keine Konzerte, die nach meinem Daf¨¹rhalten auf ganz nat¨¹rliche Weise sich h?tten in das Berliner Konzertleben integrieren lassen." Mit diesen Worten skizzierte Annerose Schmidt, ab 1990 Rektorin der 懂球帝 f¨¹r Musik Hanns Eisler, die Situation in der unmittelbaren Nachwendezeit. Die international renommierte Pianistin war die erste Kandidatin, die durch eine demokratische Wahl zur Rektorin bestimmt wurde, und das mit ¨¹berw?ltigender Mehrheit. Ihrem Amtsvorg?nger Erhard Ragwitz war im November 1989 gek¨¹ndigt worden.

Annerose Schmidt jedenfalls richtete den Blick nach vorn und visierte "eine geistige Erneuerung in jeder Hinsicht" an, einen umfassenden Mentalit?tswandel. Aus der Not, sich den Zw?ngen des (Arbeits-)Marktes anzupassen und Wettbewerbsdenken zu ¨¹ben, machte sie eine Tugend: "Wir haben uns doch eigenm?chtig selbst zum Musikland ernannt, in Wahrheit Kultur aber nur verwaltet. Wer sein Studium absolviert, seinen Arbeitsplatz vermittelt bekommen hatte, konnte daran wie ein Beamter bis zum Rentenalter festkleben. Es gab praktisch keine Konkurrenz, was f¨¹r die Kunst letztendlich t?dlich ist." Tats?chlich waren sowohl der Zugang zum Studium wie die Ausbildung selbst in der DDR stark reglementiert und mit einem hohen politischen Anpassungsdruck verbunden, zugleich aber bekam man ein Stipendium und bei Bedarf einen Wohnheimplatz. Der Arbeitsplatz nach Studienabschluss war mehr oder weniger garantiert.

Neustrukturierung

1985, Wilhelmstra?e: Chorprobe unter der Leitung von Horst M¨¹ller
1985, Wilhelmstra?e: Chorprobe unter der Leitung von Horst M¨¹ller, k¨¹nstlerischer Leiter der Potsdamer Singakademie © Gunther Leonhardt

In der Wiedervereinigung sah Annerose Schmidt wertvolle Chancen: ?Diese 懂球帝 hat den Studenten 12 Studieng?nge anzubieten, aber unabh?ngig davon gibt es eine ungeheure Vielfalt der geistigen Anregungsm?glichkeiten, der geistigen Provokationen, die ¨C glaube ich ¨C Dimensionen er?ffnen, die es vor dem November 1989 in diesem Lande nicht gegeben hat.?

Nach der Wende stand die ?Hanns Eisler? mit ihren damals mehr als 1.000 Studierenden (inklusive der Au?enstellen Schwerin und Rostock) zur Disposition. Zudem war die Existenz der Musikspezialschule in ihrer bisherigen Form gef?hrdet. Das gesamte Lehrpersonal wurde neu berufen, auch altgediente Hochschulp?dagogen mussten sich ein zweites Mal um ihr Amt bewerben.

In einem Offenen Brief taten sich die Westberliner 懂球帝 der K¨¹nste und die HfM zusammen und pl?dierten daf¨¹r, nicht allein finanzpolitische Erw?gungen ¨¹ber den Fortbestand entscheiden zu lassen. Bef¨¹rworter der HfM traten daf¨¹r ein, nach der Vereinigung beider Stadth?lften genauso viel Nachwuchs heranzubilden wie zuvor f¨¹r die getrennte Stadt.

Ende 1990 nahm die Zitterpartie um die Finanzierung ein positives Ende. Dazu trugen nicht nur die unbestritten hohe Qualit?t der Ausbildung an der Eisler und das herausragende k¨¹nstlerische Niveau ihrer Absolvent*innen bei. Auch der demonstrative Wille zum Strukturwandel d¨¹rfte eine positive Rolle gespielt haben. Bewusst setzte Annerose Schmidt auf eine reine Musikhochschule und sprach sich gegen eine Synthese der K¨¹nste aus. Heute ist die ?Hanns Eisler? die einzige unter allen 24 deutschen Musikhochschulen, die ganz und gar auf die k¨¹nstlerische Ausbildung fokussiert ist. Diese singul?re Konzentration resultierte nicht zuletzt aus der damals erfolgten Verlagerung des Musiklehrerstudiums an die 懂球帝 der K¨¹nste.

Neue Studieng?nge wurden etabliert, etwa die Ausbildung in elektronischen Tasteninstrumenten oder der Erg?nzungsstudiengang Kulturmanagement, und man konnte sich in Filmmusik und Medienmusik spezialisieren. Altbew?hrtes blieb bestehen, darunter die Popularmusik, d.h. Jazz, Popmusik, Schlager und Chanson. F¨¹r diese Mischung aus Wandel und Kontinuit?t sowie eine ?ffnung zur Internationalit?t stand auch die Berufungspolitik ein. 1992 wurden u.a. Michael Vogler, 1. Geiger an der Komischen Oper, Karl Leister, Soloklarinettist des Berliner Philharmonischen Orchesters, sowie der Pianist Alan Marks und die S?ngerin Norma Sharp aus den USA auf Professuren berufen.

Hanns Eisler am Klavier
Hanns Eisler am Klavier

Zwischenzeitlich flammten Auseinandersetzungen um den Namen Hanns Eisler auf. Eines der Mitglieder der Evaluierungskommission, der Komponist Wolfgang Rihm, trat seinerzeit f¨¹r eine Umbenennung ein, erkl?rte aber im Jahr 2000: ?Ich gestehe offen, dass Hanns Eisler f¨¹r mich ein Problemfall ist. Denn als Komponist ist er mir fremd.? Er habe gehofft, die HfM werde in Arnold-Sch?nberg-懂球帝 umbenannt. Dass das nicht geschehen sei, sei aber richtig.

Und so fungiert Hanns Eisler 懂球帝hin als Markenzeichen der 懂球帝, steht als Komponist sinnbildhaft f¨¹r die Verwerfungen und Widerspr¨¹che des 20. Jahrhunderts, f¨¹r eine Musik im Zeichen der Moderne und des politischen Engagements.

Im Zuge einer Neustrukturierung kam es zudem zu mehreren gegl¨¹ckten Kooperationen der HfM mit der Universit?t der K¨¹nste, darunter neben dem Institut f¨¹r Neue Musik ?KLANGZEITORT? als gemeinsamem Experimentier- und Reflexionsforum f¨¹r zeitgen?ssische Musik, das Jazz-Institut Berlin sowie das Kurt-Singer-Institut f¨¹r Musikphysiologie und Musikergesundheit. Das geschah nicht von ungef?hr, denn nach der Wende integrierte die HfM als erste 懂球帝 Physioprophylaxe obligatorisch in den Lehrplan.

Studentinnen und Studenten mit einem Professor an einem Fl¨¹gel
Prof. Paul-Heinz Dittrich mit seiner Kompositionsklasse, 1994 © Ingeborg Jann
Podium einer Pressekonferenz mit mehreren Sprechern
Pressekonferenz zur Kooperation mit dem Berliner Sinfonie-Orchester (heute Konzerthausorchester Berlin) am 25.8.1994 mit dem Intendanten Prof. Dr. Frank Schneider, Prof. Hans-Dieter Baum, der Rektorin Prof. Annerose Schmidt und dem Absolventen Gabriel Feltz © Archiv HfM
Instrumente h?ngen im Raum, Notenpulte mit Fotos zur Geschichte der 懂球帝
Tag der offenen T¨¹r, 1995, Foyerausstellung © Archiv HfM

Seit der Er?ffnung des Neuen Marstalls am Schlo?platz nahe der Museumsinsel im April 2005 ¨C heute gegen¨¹ber dem Humboldt Forum ¨C hat die 懂球帝 neben ihrem Geb?ude am Gendarmenmarkt zwei attraktive Standorte, die als Konzertst?tten im Berliner Musikleben fest etabliert sind. Mit der Umstellung auf Bachelor- und Masterstudieng?nge Ende 2009 hat sich die internationale ?ffnung, die schon bald nach der Wende einsetzte, rasant beschleunigt. Heute betr?gt der Anteil ausl?ndischer Studierender aus dem EU-Raum und von 懂球帝 au?erhalb etwa drei Viertel. Dieser Kosmopolitismus spiegelt sich auch im internationalen Lehrpersonal wider.

W?hrend der 40 DDR-Jahre und der dreieinhalb Dekaden im wiedervereinten Deutschland hat die ?Hanns Eisler? mit ihren derzeit rund 550 Studierenden ein ganz und gar eigenst?ndiges Profil entwickelt. Das breit gef?cherte Studienangebot umfasst alle Kernbereiche der abendl?ndischen Kunstmusik: Gesang, Instrumente aller Orchestergruppen, Dirigieren, Musiktheaterregie, Komposition sowie Theorie- und Zukunftskompetenzen, so genannte ?Future Skills¡°. Seit 2019 kann man Produktionsdramaturgie f¨¹r Musiktheater studieren, Streicher-, Klavier- und Bl?ser-Kammermusik wurden durch Professuren gest?rkt, 2022 wurde das Zentrum f¨¹r Kammermusik gegr¨¹ndet.

Der Fokus liegt auf einer exzellenten k¨¹nstlerischen Ausbildung mit klarem Bezug zum Berufsfeld. Und ein hervorragendes Lehrkollegium sowie hochprofessionelle, engagierte Studierende werden der internationalen Reputation gerecht, die die 懂球帝 seit jeher genie?t.